Wenn du  nicht weißt, warum dein Baby immer wieder weint, oder regelmäßige Wutausbrüche deines Kleinkindes dich ratlos und genervt machen, weiß Daniela Scheurer Rat. Sie sagt: „Babys können all das ausdrücken, was sie brauchen, wenn man sie nur lässt und immer wieder zu verstehen versucht.“ Man könnte auch sagen, sie ist eine Babyflüsterin. Heute habe ich sie interviewt.

Seit Januar ’21 schon treffen wir uns regelmäßig. Wir haben uns Ende 2020 beide dazu entschlossen, gemeinsam mit Judith Peters in der Content Society jede Menge Blogartikel über unsere Arbeit und uns selbst zu schreiben. Ich liebe diese Treffen, denn der Austausch ist fantastisch!

 

1. Wir sind  Blog-Buddies in der Content Society. Ich freue mich jede Woche auf unser Treffen! Was hat sich für dich durch das Bloggen verändert?

Ui, so Vieles! Das Bloggen hat in erster Linie dazu beigetragen, dass meine Gedanken klarer wurden. Ich weiß jetzt genau, WARUM es mir so wichtig ist, meine Erfahrungen an junge Eltern weiter zu geben. Außerdem finde ich es schön, so etwas wie ein virtuelles Tagebuch zu haben und am Ende des Jahres darauf zurückblicken zu können. Die Mitgliedschaft in der Content Society hat zudem mein Business positiv beeinflusst. Ich habe dieses Jahr nicht nur Blogartikel geschrieben, sondern auch meine Webseite neu gestaltet und viel Erfahrung sammeln können. Noch ein positiver Nebeneffekt: Meine Blogartikel und somit ich werden von den richtigen Menschen gefunden!

 

2. Was sind für dich die entscheidenden Punkte, die zu einem respektvollen und bedürfnisorientierten Miteinander mit Kindern gehören?

Als erstes ist es natürlich wichtig zu wissen, welche Bedürfnisse mein Kind denn wirklich hat. Wir müssen unterscheiden zwischen Bedürfnissen und Wünschen. Daher gehen wir auch immer wieder auf die Entwicklung der Kinder ein. Die Frage nach echten Bedürfnissen ist die Wichtigste. Und dann geht es um die Haltung, mit der wir Kindern begegnen. Sehen wir sie als von uns abhängige Wesen, die nicht für sich selbst entscheiden können, oder können wir ihr Autonomiebestreben und ihre Kompetenz erkennen und vor allem zulassen?

Letztendlich müssen wir uns aber unseren eigenen Bedürfnissen bewusst sein. Denn wenn wir als BegleiterInnen unserer Kinder nicht ausreichend auf uns selbst achten, führen wir eine bedürfnisorientierte Erziehung ad absurdum.

 

3. Wie bist du zum „Pikler-Spielraum“ gekommen?

Ich kenne die Arbeit von Emmi Pikler bereits aus der Krippe, in der ich während der Ausbildung zur Kindergartenpädagogin gearbeitet habe. Als mein zweiter Sohn dann ein paar Monate alt war, habe ich die Möglichkeit angenommen, bei meiner Hebamme eine Spielgruppe anzubieten. Allerdings war ich trotz meiner Ausbildung ziemlich konzeptlos und mir begegneten zahlreiche Herausforderungen. Deshalb habe ich mich auf die Suche gemacht – und bin bei der Pikler-Hengstenberg-Gesellschaft Wien gelandet. Dort habe ich dann die Pikler-Ausbildung gestartet. Die ganze Geschichte kannst du hier lesen.

 

Daniela Scheurer im Spielraum

4. Auf welche Weise hat sich dadurch dein Blick auf die Entwicklung von Babys geändert?

Die Haupterkenntnis für mich war, dass die motorische Entwicklung von Babys so unterschiedlich verläuft, dass sie nur sehr grob messbar ist. Anders als die Spielentwicklung, die sehr wohl bei allen gleich verläuft. Und hier liegt meiner Erfahrung nach auch der „Fehler“. Eltern wollen gerne, dass ihr Kind möglichst schnell sitzt, krabbelt und die ersten Schritte macht. Dafür brauchen sie allerdings unterschiedlich viel Zeit. Wenn wir uns aber Zeit nehmen, auf das Spielverhalten der Kinder zu schauen, können wir ihre Neugierde, ihre Ausdauer und ihre Fähigkeit zur Eigeninitiative erkennen. Babys sind tatsächlich äußerst kompetent. Sie können all das ausdrücken, was sie brauchen, wenn man sie nur lässt und immer wieder zu verstehen versucht. Das Wissen über die Entwicklung von Babys und Kleinkindern ist der Schlüssel zu einer liebevollen und bedürfnisorientierten Begleitung.

 

5. Du bietest für Eltern mit Kleinkindern einen regelmäßigen Spielraum an. Kannst du an den Kindern im Laufe der Treffen Veränderungen entdecken, und wenn ja welche?

Der Pikler-SpielRaum unterstützt ihre natürliche Neugierde, sich selbst und die Welt zu entdecken. Unterschiedliche Materialien zu erkunden, erste soziale Erfahrungen zu machen und durch kleine körperliche Herausforderungen sich selbst kennenzulernen. Und die anwesenden Begleitpersonen lernen in dieser Zeit ihre Kinder noch besser kennen. Sie beobachten, wie ihre Kinder verschiedene Situationen meistern, sehen ihre Interessen und ihren Forschergeist und gewinnen dadurch Vertrauen und Sicherheit. Damit verändert sich automatisch die Eltern-Kind-Beziehung. Wenn Eltern beginnen, ihre Kinder zu verstehen, verändert sich nicht nur ihr Verhalten, ihre Sprache, sondern ihre gesamte Haltung. Die Kinder fühlen sich wichtig und wertgeschätzt, weil sie im SpielRaum – und in Folge auch zu Hause – die Erfahrung machen dürfen, dass das, was sie gerade tun, das Richtige ist. Damit säen wir die Samen für ein gesundes Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen.

 

6. Welches ist die häufigste Herausforderung, die Eltern bewegt, wenn sie sich bei dir zu einem Coaching melden, und wie kannst du ihnen helfen?

Die größte Herausforderung für Eltern ist es, mit den unterschiedlichen Emotionen ihrer Kinder umzugehen. Schreiattacken, Wutanfälle und Streitereien unter Geschwistern. Ich werde auch sehr oft über meine Erfahrung mit dem freien Schulsystem oder Alternativen zum Regelsystem gefragt. Bei meinen Beratungen wende ich keine spezielle Methode an. Es ist mir wichtig, gut zuzuhören und herauszufinden, was mein Gegenüber gerade von mir braucht. Ich versuche in erster Linie Fragen zu stellen, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, eine individuelle Lösungsstrategie zu finden. Allerdings plaudere ich auch gerne aus dem Nähkästchen, erzähle Geschichten und gebe damit meine Erfahrungen weiter.

 

Daniela Scheurer

7. Ich habe in deinen 63 Fakten über dich gelesen, dass du in einer Patchwork-Familie aufgewachsen bist. Wie war das für dich?

Für mich als Älteste von insgesamt 6 Kindern war das ganz schön schwierig. Es fiel mir schwer, auf mich und meine Bedürfnisse aufmerksam zu machen, weil da immer jemand war, der jetzt Vorrang hatte. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum ich ordentlich rebelliert habe als Jugendliche 🙂 Im Nachhinein finde ich es sehr schade, dass es niemanden im Außen gab, der meine Situation gesehen hat und mich verstanden hat. Ich hätte mir einiges erspart, wenn meine Eltern damals eine kompetente Begleitung gesucht hätten.

 

8. Du hast einen Gemüsegarten, das habe ich auch von dir erfahren. Was ist dein Trick, damit das Gemüse gut wächst und was isst du aus deinem Garten am liebsten?

Am liebsten habe ich Cocktail-Tomaten direkt von der Pflanze! Wenn sie noch ganz warm von der Sonne sind! Ich liebe es, im Sommer durch meinen Garten zu streifen und zu naschen. Nicht nur die Tomaten, da gibt es ja auch jede Menge Naschobst zu holen. Ein Geheimnis habe ich nicht. Ich habe keinen sonderlich grünen Daumen und jäte auch kein Unkraut. Aber ich kümmere mich jeden Frühling um richtig gute Komposterde für meine Hochbeete und dünge gerne mit Pferdemist, den ich ich von Freunden hole.

9. Wie entspannst du dich am liebsten?

Ich liebe mein Pool oder das Schwimmbad in Kaisersdorf. Wasser ist mein Super-Entspannungs-Element. Da ich (noch) nicht im immerwährenden Sommer lebe, hat meine Schwimmfreude leider eine kurze Lebenszeit. Wald, Hund, Tee, ein Buch auf der Couch oder ein Blick in den Hühnerstall ersetzen Wasser in den kälteren Zeiten. Ach ja, die schnurrende Katze am Schoß oder ein Spielchen mit meiner Familie, das finde ich auch sehr gemütlich. Eigentlich entspannt mich alles, was mein Leben ausmacht. Alles andere lass ich einfach bleiben.